Prädisziplinarität
Seit etlichen Jahren inzwischen wird mit Blick auf Nachhaltigkeit der Wert inter- und transdisziplinären Arbeitens diskutiert. Könnte es sein, dass nun die Zeit gekommen ist, auch das Terrain eines »prädisziplinären« Forschens und Gestaltens ins Auge zu fassen?
Diese Frage zählte zu den inhaltlichen Schwerpunkten des gemeinsam mit dem Biologen und Philosophen Andreas Weber entwickelten Programms Erkundungsreisen in Kulturen der Lebendigkeit (2015 - 2017).
Während in der gesellschaftlichen und politischen Arbeit gewöhnlich das Was – die jeweiligen Themen und Inhalte – im Fokus steht, widmet Prädisziplinarität sich den allen Inhalten vorgelagerten Fragen des Wie. Weil jedes Was entscheidend vom Wie geprägt ist: von der Beschaffenheit des zugrunde liegenden Sehens, Hörens, Denkens, Begegnens, Kommunizierens.
Prädisziplinäres Arbeiten findet in einer Erkenntnissphäre diesseits der Trennung in Theorie und Praxis statt. Der griechische Ursprung des Begriffs Theorie – théa, »Anschauen, Schau« – verweist darauf. Theorie und Praxis sind hier insofern eins, als Erkenntnis aus einer gesteigerten, verdichtenden Wahrnehmungspraxis entsteht.
Seit den Befunden der Quantenphysik zu Beginn des letzten Jahrhunderts ist diese Sphäre auf empirisch rationalem Wege als primäre, schöpferische Lebendigkeit erkennbar geworden.
Mit Praktiken und Prozessen wie aktivem Zuhören, aktivem Sehen, dem dialogischen Prinzip und dem Kultivieren von Unschärfe handelt prädisziplinäres Arbeiten davon, auf dem Wege inneren Selbstaktivierens zu Erkenntnis zu gelangen; aufzumerken, gewärtig zu werden, mehr Bewusstheit in das Wahrnehmen und von da aus in die Qualitäten des Denkens, Kommunizierens, Tuns zu bringen. Damit erkundet Prädisziplinarität ein erweitertes Verständnis von Wissenschaft und zugleich ein erweitertes Verständnis von Kunst.
VORTRÄGE:
25. Februar 2016
Zukunftsfähigkeit - eine Utopie? Vortrag im Rahmen des GWS Forum 2016 "Wozu Utopien? Treibhäuser für neues Denken und Handeln in der Arbeitswelt", Oberursel.
21. Januar 2016
Einst! Dem Ursprung nach halten, um von der Zukunft her zu gestalten, veranstaltet vom Literaturhaus Villa Augustin, Dresden.
10. November 2015
Die neue Muse. Prädisziplinäres im Horizont von Nachhaltigkeit, veranstaltet vom Goethe-Institut Georgien, Tiflis.
28. Oktober 2015
Vom "Was" zum "Wie". Prädisziplinarität als Baustein gesellschaftlichen Wandels, veranstaltet vom Umweltbundesamt, Dessau.
13. Oktober 2015
Achtsamkeit - Quellkraft für den Wandel hin zu einer zukunftsfähigen Zivilisation, im Rahmen der Tagung Naturerleben und Achtsamkeit, veranstaltet vom Bundesamt für Naturschutz in Kooperation mit der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg an der Internationalen Naturschutzakademie Vilm, Insel Vilm.
16. Juli 2015
Prädisziplinäres Arbeiten im Horizont von Nachhaltigkeit, veranstaltet von der Karlsruher Schule der Nachhaltigkeit des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) an der Universität des Landes Baden-Württemberg.
30. Juni 2015
Working "Predisciplinarily". Towards Sources of Sustainability, veranstaltet vom Freiburg Scientific Theatre e.V. im Rahmen des Programms "Science, Sustainability and Art. Exploring Tools for Transformations" an der Universität Freiburg.
TEXTE:
Das goldene Feld. Erkundungen im Prädisziplinären (PDF), Hildegard Kurt, in: Evolve 09, (Jan./März 2016), S. 54-57.
Die Bodenpflege des Humanen. Prädisziplinäres Forschen und Gestalten im Horizont von Nachhaltigkeit (PDF), Hildegard Kurt, in: Politische Ökologie 143 (Dez. 2015). S. 140-143.
Prädisziplinäres Gestalten im inneren Atelier, Hildegard Kurt, in: Zeitschrift Oya, Ausgabe 32 (Mai/Juni 2015), S. 34-37.